Denn nicht nur die Einrichtungen sind von der unplanbaren Entwicklung von Kostensteigerungen Zuzahlungen und Nachforderungen betroffen. Auch die Angehörigen sind von der Situation oft überfordert - nicht nur finanziell.
Es ist deutlich zu vernehmen, wie aufgewühlt er ist. Johannes F. (Name von der Redaktion geändert) sitzt am Wohnzimmertisch seines Hauses und seine Stimme bebt immer wieder. Es ist eine Mischung aus Wut und Resignation. In den Händen hält er Briefe, Anträge und Zeitungsartikel zu seiner Situation. "Nachzahlungen erschrecken die Angehörigen", ist eine Schlagzeile. Bevor seine Frau vor gut einem Jahr einen Schlaganfall erlitt, hätte Johannes F. ähnliche Überschriften vielleicht überlesen. Jetzt aber betreffen ihn die plötzlich und geballt eintretenden Kostensteigerungen der Pflege.
Mit seinen Sorgen wandte sich der 86-Jährige auch an die Caritas für das Bistum Münster und traf dort auf offene Ohren. Der Verband fordert von Politik und Kostenträgern schon seit einiger Zeit ein transparentes und langfristig verlässliches System für die Kostensteigerungen, die auch die Eigenanteile der Pflegebedürftigen betreffen. Besonders im Fokus stehen dabei die erhebliche Bürokratie und ein massiver Bearbeitungsstau bei Entgeltverhandlungen zwischen dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), den Verbänden der Pflegekassen und der Trägerlandschaft. Denn für Pflegeeinrichtungen können ausstehende auskömmliche Finanzierungen existenzbedrohend werden. Die Versorgungssicherheit der Pflege wird damit gefährdet. Zuzahlende Angehörige können plötzliche Nachforderungen finanziell überfordern.
Auch für Johannes F. waren die plötzlichen Nachzahlungen für Investitionskosten der Altenhilfeeinrichtung aus dem Jahr 2023 in Höhe von 1500 Euro und kurz darauf für das Jahr 2024 in Höhe von 1300 Euro besonders belastend. Aufgrund des Bearbeitungsstaus kamen sie mit großer Verzögerung. Für den Rentner, den der Eigenanteil an den Pflegekosten für seine Frau ohnehin an die Grenze des Machbaren führt, ist es kurzfristig eine enorme Zusatz-Belastung.
Mit großer Sorge schaut er auf weitere mögliche Nachzahlungen, wenn der Träger der Altenpflege-Einrichtung irgendwann Klarheit bei den Entgelten hat, die ihm für die Finanzierung der Pflegeplätze von den Kostenträgern zur Verfügung gestellt werden. Johannes F. weiß, dass bürokratische Entscheidungen, in welcher Höhe die steigenden Investitions-, Personal- und Betriebskosten künftig abgerechnet werden können, längst überfällig sind. Wenn dabei neue Lücken entstehen, drohen die Nachforderungen beim Eigenanteil an die Angehörigen "durchgereicht" zu werden, sagt er. "Und das rückwirkend - dann kommen wieder große Beträge auf einen Schlag."
Er will das nicht so hinnehmen. Im Gegenteil: Der Stapel an Briefen auf seinem Wohnzimmertisch zeigt, wie intensiv er versucht, Behörden, Verbände, Kassen, Einrichtungsbetreiber und Politiker auf diese Fehlentwicklung aufmerksam zu machen. Oft bekommt er nur kurze Rückmeldungen, dass den Beteiligten die Hände gebunden seien, derzeit kein Gegensteuern möglich sei. Johannes F. weiß, dass er sich mit seinem Protest nicht nur Freunde macht - deshalb möchte er anonym bleiben.
In den Gesprächen mit den zuständigen Referentinnen der Caritas für das Bistum Münster hat er sich noch einmal Klarheit über seine Situation holen können. Dort hat man ihn auch auf die Möglichkeiten der Pflegeberatung vor Ort hingewiesen, um weitere Hilfen in Anspruch nehmen zu können. Denn die Fachkräfte für Pflege erleben immer wieder, dass die Situation die Betroffenen nicht nur finanziell, sondern auch organisatorisch und emotional überfordert.
058-2024 (Text: Michael Bönte) 15. Oktober 2024