Von Josef Barnekamp
Wie mühselig, frustrierend und letztlich auch erfolglos die Suche nach einem Dach über dem Kopf sein kann, davon kann schon der Evangelist Lukas in der biblischen Weihnachtsgeschichte ein Lied singen. Weil für Josef und Maria in der Herberge kein Platz war, musste sich die junge Familie samt dem gerade zur Welt gekommenen Jesuskind mit einer Krippe begnügen.
Wenn auch die Suche nach einer Wohnung kaum noch in einem Stall endet, so ist sie auch gut 2000 Jahre nach Jesu Geburt meist mühselig, frustrierend und oft auch erfolglos - auch im Westmünsterland. Davon weiß Alicja Szkrabinski ein Lied zu singen. Sie kümmert sich im Auftrag des Caritasverbandes für das Dekanat Borken um die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer und hilft diesen Menschen auch dabei, eine Wohnung zu finden. "40 bis 50 Personen fragen derzeit bei mir an, ob ich helfen kann", sagt Szkrabinski. In anderen Regionen des Kreises sehe das ähnlich aus.
Einer der Hilfesuchenden ist Abdullah Al Sulaiman. Der 31-Jährige ist vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen, lebt seit fünf Jahren in Borken und wohnt in einer städtischen Unterkunft. Dort zu wohnen ist aber nicht leicht für ihn. Al Sulaiman sitzt im Rollstuhl, weswegen er eigentlich eine barrierefreie Wohnung benötigt. Im Alltag hilft ihm sein Bruder, aber manche Dinge wie der Katheterwechsel in einem Bad, das er mit seinen vier Mitbewohnern teilen muss, belasten ihn schon. "Oft ist es nicht sauber", sagt Al Sulaiman. Zudem ist er schon mehrfach gestürzt. Bei der Stadt, bei Wohnungsbaugesellschaften übers Internet oder über die Zeitung: Seine jahrelangen Versuche, eine Wohnung zu finden, sind bislang erfolglos geblieben. Dabei würde seine Krankenkasse sich sogar an einer Bad-Renovierung in einer neuen Wohnung beteiligen, sagt der 31-Jährige.
"Es ist generell für viele Menschen in der Region sehr schwierig, eine geeignete und vor allem auch bezahlbare Wohnung zu finden. Und es ist zuletzt noch deutlich schwieriger geworden", berichtet Alicja Szkrabinski aus ihrem Alltag. Fünf, sechs Euro Miete pro Quadratmeter könnten Menschen, die von Hartz IV oder anderen staatlichen Hilfen lebten, bezahlen. "Die meisten Angebote sind aber deutlich teurer." Und gerade kleine Wohnungen, wie Al Sulaiman eine braucht, seien derzeit kaum zu bekommen. Zudem würden viele Vermieter abwinken, wenn klar sei, dass es sich bei dem Bewerber um einen Kunden des Jobcenters handele. Oder um eine Familie mit mehreren Kindern. Oder um einen Menschen mit Migrationshintergrund. Dabei hätten gerade letztere ein eigenes Zuhause oft besonders nötig. "Viele von ihnen waren lange auf der Flucht und haben immer noch nicht das Gefühl, angekommen zu sein", sagt die Caritas-Beraterin. Meist kann sie den Menschen, die sich an sie wenden, statt einer Wohnung nur Tipps geben. Etwa bei Ebay-Kleinanzeigen oder Portalen wie Immoscout zu suchen oder eine Liste mit Vermietern, die Szkrabinski hat, abzuarbeiten. "Es müssen mehr Wohnungen geschaffen werden, aber die müssen auch bezahlbar sein", sagt sie.
"Der Wohnungsmarkt in der Region ist erstaunlich eng", weiß Norbert Nießing, der sich als Erster Beigeordneter der Stadt Borken und früherer Leiter des Fachbereichs Soziales beim Kreis Borken mit der Problematik des knappen Wohnraums für Menschen mit geringem Einkommen auskennt. Zuzüge von außerhalb und der gesellschaftliche Trend zum Single-Haushalt beispielsweise sorgten dafür, dass kleine Wohnungen in der Region noch begehrter seien als noch vor Jahren. "Wir brauchen pro Kopf deutlich mehr Quadratmeter als früher."
Als Kommune könne man der Zielgruppe nur in einem gewissen Maße selbst Wohnungen anbieten, sagt Nießing. Zwar verfüge die Stadt Borken über einige Dutzend eigener Immobilien, aber man habe ja auch gleich mehrere Zielgruppen wie Obdachlose, Geflüchtete oder Hartz-IV-Bezieher zu versorgen und will dabei auch bestimmte Zielsetzungen verfolgen. So bringe man geflüchtete Menschen dezentral auf die einzelnen Stadtteile verteilt unter. Zudem arbeite man eng mit der Wohnbau Westmünsterland zusammen, um auch Menschen mit wenig Einkommen zu einer Wohnung zu verhelfen. Die Genossenschaft habe gerade in jüngster Vergangenheit viele Sozialwohnungen gebaut. Zudem: Als Stadt habe man einige Grundstücke verkauft, bei denen sich die Käufer notariell verpflichten mussten, 50 Prozent der dort entstehenden Wohnungen als Sozialwohnungen anzubieten. Wer das entsprechend gefördert bekomme, müsse sich an die Sozialbindung für 20 Jahre halten. Außerdem, so Nießing, begleite man gerade geflüchtete Menschen, wenn diese in eine eigene Wohnung zögen. Dinge wie Mülltrennung oder anderes "das muss man erklären und trainieren. Und das tun wir und helfen den Menschen dabei", sagt Nießing. Hilfe gebe es bei der Stadt aber nicht nur für Mieter, auch Vermieter könnten sich gerne an die Verwaltung wenden, wenn sie überlegten, eine preiswerte Wohnung an Menschen wie Abdullah Al Sulaiman zu vermieten. "Auch dafür haben wir jemanden im Team."