Von Jürgen Schroer
Gescher. Wenn Jutta Holtwick mit Vince das Altenwohnheim St. Pankratius betritt, gibt es sofort Reaktionen. Eine Seniorin im Rollstuhl lässt sich heranschieben, streichelt dem Tier über den Kopf - und strahlt. "Ich hatte früher auch einen Hund", erzählt die alte Dame und nimmt ein Leckerchen von der Hundeführerin, das sie an Vince weiterreicht. Der frisst dankbar aus der Hand und holt sich noch eine Streicheleinheit ab. Viele Senioren freuen sich auf den Donnerstag, denn dann kommt Jutta Holtwick für drei Stunden mit Vince ins Haus und ermöglicht Kontakt zum Tier. "Es ist sagenhaft, wie positiv die Leute reagieren", weiß Heimleiter Norbert Arnzen. Viele, nicht alle Senioren suchen die Nähe zum Hund, erinnern sich an früher und reden darüber. Für Holtwick ist Vince ein "Therapeut auf vier Pfoten", der den Bewohnern gute Momente gibt.
Vor gut sieben Jahren kam die Ramsdorferin erstmals mit ihrer damaligen Hündin Buffy ins Altenwohnheim, damals unterstützte sie eine Bekannte aus Gescher bei deren Abschlussarbeit zum Thema "tiergestützte Besuchstherapie". Daraus entwickelten sich die wöchentlichen Besuche am Donnerstag, zunächst ehrenamtlich. Seit viereinhalb Jahren ist Frau Holtwick mit halber Stelle im Sozialen Dienst der Einrichtung tätig und hat die Hundebesuche fortgeführt.
Buffy gibt es nicht mehr, seit längerem ist Vince, der Hund ihrer besten Freundin, im Einsatz. Dabei handelt es sich um einen Alaskan Hound, der früher als Schlittenhund Rennen gelaufen ist und auf seine alten Tage eine neue Aufgabe gefunden hat. Vince ist kein ausgebildeter Therapiehund, bringt aber alle erforderlichen Eigenschaften für die Besuche im Altenheim mit. "Er ist sehr ruhig, duldsam und verschmust", sagt Holtwick. Der Vierbeiner reagiert positiv auf die Zuwendung der Senioren, bekommt zwischendurch Futter zur Belohnung. Nach einem dreistündigen Einsatz ist Vince "platt". "Die vielen unterschiedlichen Eindrücke sind anstrengend für ihn", sagt die Hundeführerin.
Bei ihren Besuchen mit Hund ist Jutta Holtwick mal im Erdgeschoss, mal mehr in den Wohnbereichen im Obergeschoss unterwegs. "Da lasse ich mich gerne treiben und reagiere situativ", erläutert die 55-Jährige. Immer wieder löst der Anblick von Vince großes Hallo und Freude aus. So wie bei Ilse Nienhaus (84), die sogar ein Bild von Vince auf dem Nachttisch stehen hat: "Oh, da bist du ja wieder. Ich habe dich vermisst", strahlt die Seniorin und beugt sich im Rollstuhl vor, um den Hund zu streicheln. Auf einmal ist bei ihr mehr Beweglichkeit da als sonst. Auch bei demenzkranken Bewohnern, die sich kaum noch ein Wort entlocken lassen, beobachtet das Pflegepersonal positive Effekte, wenn der Hund kommt: "Die Leute erinnern sich und sprechen plötzlich", so Jutta Holtwick. Das seien besondere Momente.
Sogar im Palliativbereich ist Vince schon eingesetzt worden. Er durfte - in Absprache mit allen Beteiligten - zu einem sterbenden Menschen aufs Bett und vermittelte beruhigende Wärme und Nähe. "Das nimmt einer solchen Situation den Schrecken", weiß Jutta Holtwick und gibt Vince am Ende seiner dreistündigen Tour durchs Altenwohnheim die Reste aus der Futtertüte. Gut gemacht!
Warum Hunde so tolle Therapeuten sind? "Sie nehmen einen Menschen so an, wie er ist. Ob alt oder krank, das ist dem Tier ganz egal", sagt die Hundefreundin aus Ramsdorf. Und verspricht einer Bewohnerin, dass sie am nächsten Donnerstag ganz bestimmt wiederkommt - mit Besuchshund Vince.